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Reformierte Katechismen aus drei Jahrhunderten
Anger - Lampe - Weerth


herausgegeben von Matthias Freudenberg
Beiträge zur Katechismusgeschichte Band 10

Rezension von Gerrit Noltensmeier in Heimatland Lippe Nr. 9/10 2005


„Wenn dein Kind dich morgen fragt...“ - das war die Losung des großen Kirchentages, zu dem im Mai Hunderttausende nach Hannover gekommen waren. Der Glaube wird befragt. Nicht nur von den Kindern. Glaubende sollen auskunftsfähig, sprachfähig sein. Gewiss, der Glaube äußert sich im Vertrauen. Aber das Vertrauen hat auch mit Kenntnis und Erkenntnis, mit Lehre und Wissen zu tun. Hier haben - insbesondere seit den Zeiten der Reformation - die Katechismen als elementare Lehrbücher des Glaubens ihre Bedeutung. Für Kinder und Erwachsene.
In dem Jahr, in dem wir in Lippe daran erinnern, dass vor 400 Jahren das reformierte Bekenntnis eingeführt wurde, in dem eine zentrale Ausstellung im Lippischen Landesmuseum über mehrere Monate hinweg in anschaulicher Weise den Dreischritt reformieren - streiten - bekennen nachzeichnet, legt Dr. Matthias Freudenberg, er lehrt als Privatdozent evangelische Theologie an der Universität Erlangen und stammt aus Detmold, drei Katechismen aus drei Jahrhunderten vor. Sie sind in den Traditionen und Prägungen der reformierten Theologie und des reformierten Bekenntnisses entstanden. Alle drei haben wesentliche lippische Bezüge.
Zunächst Melchior Angers „Kurzer und einfältiger Bericht...“ (1593). Der Katechismus entsteht in der Zeit des Übergangs vom reformatorischen Aufbruch hin zur evangelischen Orthodoxie. Der „Bericht“ lehnt sich deutlich an den Heidelberger Katechismus an, will diesen aber „zeitgemäßer“ weiterentwickeln. Der Bericht ist dogmatisch strenger gefasst, ist konfessionell moderat. In Lippe findet der Anger-Katechismus etwa 50 Jahre hindurch in Kirche und Schule Verwendung.
Etwa 100 Jahre später Friedrich Adolf Lampe: „Erste Wahrheitsmilch für Säuglinge am Alter und Verstand“ (1717). Lampe wurde 1683 in Detmold geboren. Der lippische Generalsuperintendent Johann Jakob Zeller war sein Großvater. Lampe galt als einer der wichtigsten reformierten Theologen der nachreformatorischen Zeit. Er stellt Elemente des lebendigen Pietismus gegen eine sterile, oberflächliche Rechtgläubigkeit.
Und schließlich Ferdinand Weerth: „Leitfaden für den Religions-Unterricht in den Schulen“ (1811/1829). 1805 hatte die Fürstin Pauline Weerth als Generalsuperintendenten nach Lippe berufen. Hier wirkte er im Geist der Aufklärung betont pädagogisch interessiert auch als Reformer des Schulwesens. Sein Katechismus verdrängt den Heidelberger Katechismus für einige Jahrzehnte in Lippe. Dieser aufklärerische Katechismus ist reizvoll durchzogen von Liedversen, die die Frömmigkeit im Geist der Aufklärung nacherleben lassen. 1858 wird - dies ist auch ein Akt politischer Restauration - der Heidelberger Katechismus wieder verbindlich eingeführt.
Die Sammlung der drei Katechismen erscheint in höchst ansprechender Gestalt. Die Katechismen werden von Freudenberg hilfreich und kundig eingeleitet und kommentiert und sehr sorgfältig ediert. Der Vergleich der Katechismen untereinander und mit anderen Katechismen, insbesondere dem Heidelberger Katechismus, ist höchst reizvoll. Man erlebt, wie der Glaube und die christliche Lehre das Gespräch mit der eigenen Zeit suchen und führen, dem allzu Zeitbedingten hier und da erliegen, dann aber wieder das Profil des Glaubens behaupten und bewähren. Den theologischen Rang und die existenzielle Tiefe des Heidelberger Katechismus erreichen die drei Katechismen nicht. Und doch: Wir erleben anschaulich Theologiegeschichte und pädagogisches Bemühen.